September 2019
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In diesem Sommer lag ein noch tieferer Schatten über unserem Eskapismus, mehr als wir es zusehends gewohnt sind. Die Welt brannte. Amazonien, Sibirien und der afrikanische Regenwald. In Staccato erreichten uns Nachrichten über die Abholzung der letzten grossen europäischen Urwaldgebiete in Osteuropa, gleichwie in Indonesien. Egal wie Übertrieben manches sein mag, wir leben in Zeiten in denen nichts übertrieben genug sein kann – vor allem wenn es um die Umweltzerstörung geht.
Bei Recherchen zum Thema traf ich auf einen hoch dotierten Entomologen des naturhistorischen Museums Wien, der der Überzeugung ist, dass die Erderwärmung nur peripher mit dem Einfluss des Menschen zu tun habe und auch einige seiner eminenten amerikanischen Wissenschaftskollegen, wären derselben Meinung. Aber auch er gab zu, was immer die Gründe sein mögen, im Moment wird es ungemütlich auf unserer Erde…
Fukushima. Im März 2011 verliess ich mit meiner Familie Tokyo, nachdem es fast 20 Jahre meine Homebase gewesen war. Drei mal Supergau. Eins der schlimmsten vom Menschen erzeugten Desaster, mit einer Kraft an Zerstörung (es ist nicht besser geworden), die schier unglaublich ist. Die japanische Regierung hat im Jahr 2011 Heimatschutz Gesetze erlassen, die es Journalisten unmöglich machen über die nuklearen Folge-Tatsachen realistisch zu berichten und Individuen, die etwas zum Thema auf social media setzen, können im schlimmsten fall vom Staat, ohne Einspruchsrecht eines Rechtsanwalts oder der Familie, entmündigt werden. Demokratie. Fukushima ist 250km von Tokyo entfernt. Wasser und Essen sind kontaminiert, wenn es regnet gibt es bis heute überall in Tokyo Hotspots. Viele Menschen sterben, lang vor ihrer Zeit.
Tarquinia, 70 km von Rom, die Küste hinauf, liegt in der Maremma, in Lazio. 12 km nah an Civitavecchia – der Hafen, das Kraftwerk. Dieses sollte, wie das in Montalto (ein bisschen weiter die Küste hinauf), Rom mit Atomkraft versorgen. Dann kam Tschernobyl und der weise römische Senat beschloss die beiden Kraftwerke umzubauen. Civitavecchia wurde ein Kohlekraftwerk, Montalto Gas. Tarquinia’s Erde und Wasser sind durchtränkt mit giftigen Schwermetallen, dort wo die Etrusker ihre schönsten Grabmalereien hinterlassen haben (Weltkulturerbe). Im Hafen legt alle 15 Minuten eins der gespenstischen Kreuzfahrtschiffe ab oder an, jedes davon bläst soviel Dreck hinaus, sodass die Luft oft Werte erreicht, die man nur aus der Mailand-Venedig Ecke kennt.
Hier leben Bauern. Landwirtschaft. Drei Ernten pro Jahr. Intensive Düngung, Wasser aus den Tiefen der Erde. Drei Sommer lang hatte es nicht geregnet, im Winter viel zu wenig. Im vierten Jahr darauf gab es kaum noch Insekten, folglich keine Vögel und Fledermäuse. Es war ein stiller Sommer. Die Bauern sprachen davon. Ich hatte schon Jahre vorher das Sterben so vieler Baumarten beobachtet. Es fing mit den Palmen an. 2011 säumten sie die Aurelia and Autostrade Richtung Rom – keine einzige ist stehengeblieben. Dann erwischte es Jahr um Jahr verschiedene Laubbaumarten, heuer sogar die allem widerstehenden Eukalyptus Bäume, die aus Australien kommen mögen, aber Teilen der Maremma gut standen.
Im Landesinneren, dort wo sich die Vulkanseen Bracciano, di Vico und Bolsena befinden – breiteten bis vor 20 Jahren noch endlosen Kastanienwälder aus. Jahrhunderte alte Bäume, jeder für sich eine Persönlichkeit, Helligkeit, weil sie weit auseinander standen, intensives Leben in den Wiesen über denen sie thronten, Glühwürmchen erzeugten in lauen Frühlingsnächten eine Symphonie aus Licht. Stachelschweine, Wildschweine, Igel, Wildtiere omnipräsent. Und dann sagte Ferrero, wir kaufen weniger Haselnüsse in der Türkei für unser Nutella, das Klima bei euch ist ideal für den Haselnussanbau. Die EU fördert willfährig obendrauf. Heute taucht man in ein Meer von Haselnussplantagen ein, dunkle Monokultur, die Böden unter den Sträuchern bare Erde, nichts kreucht und fleucht mehr, gespritzt wird was das Zeug hält. Selbst in die Naturschutzgebiete sind die Nocciole vorgedrungen. Stundenlang kann man fahren ohne einem Olivenbaum zu begegnen, geschweige denn einem Weingarten.
Wir echauffieren uns zurecht über den Präsidenten Brasiliens, dabei haben wir unser eigenes Desaster vor der Tür. Europa wird in einer Geschwindigkeit mit Beton bodenversiegelt, dass einem schwindlig wird. Österreich ist eins der Spitzenreiter. Bald werden nur mehr die Berge übrig bleiben, weil der Rest des Landes betoniert ist. Und dann wundern sich alle darüber, dass wir 80% unserer Insekten und 40% unserer Vögel verloren haben. Wo sollen denn die Tiere Nahrung finden, wenn alles entweder betoniert oder Pestizid betreute Landwirtschaft ist und oben drauf jeder seinen Rasen mäht? Wer soll die Blüten bestäuben, wenn es keine Insekten mehr gibt?
Aus Verzweiflung über all diese Tatsachen gründete ich mit pro-bono Hilfe einer internationalen Anwaltskanzlei Ende letzten Jahres die Non Profit Organisation gobugsgo.org. Kommunales Besitztum ist die Idee. Individueller Besitz kann von jedem Staat enteignet werden, um eine Strasse zu erweitern, eine Autobahn zu bauen, eine Stadt sich weiter ausdehnen zu lassen, oder Rohstoffe zu gewinnen. Wenn Tausende eine Stück Land zusammen besitzen, dann wird es schwer, ja unmöglich all diese Wählerstimmen zu umgehen, zumindest in demokratischen Gesellschaften.
Als Mitglied von GoBugsGo – BUGGY genannt – wird man Teil einer Community die Landstücke in Europa erwirbt und der Natur zurückgibt. Wir errichten menschenfreie Zonen, wo Flora und Fauna unabhängig vom Menschen gedeihen können. Es ist die utopische Forderung Landstücke der menschlichen Produktivität für immer zu entziehen. Kein leichtes Unterfangen, ob bestehender Widmungen, ob des Widerstands vieler, denen wilde Natur ein Dorn im Auge ist. Wahrscheinlich ein bisschen so, wie es am Anfang der Biolandwirtschaft in den 80igern gewesen sein muss; Im Moment ist GoBugsGo dabei das dritte Landstück zu kaufen.